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System der deduktiven und induktiven Logik

Eine Darlegung der Prinzipien wissenschaftlicher Forschung, insbesondere der Naturforschung

AutorJohn Stuart Mill
Verlage-artnow
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl130 Seiten
ISBN9788026834304
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis1,99 EUR
Dieses eBook: 'System der deduktiven und induktiven Logik' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Aus dem Buch: 'Die Betrachtungen über die Induction sind indessen mit der Feststellung der Regeln für die Ausübung derselben nicht beendigt. Wir müssen noch Einiges von den anderen Verstandesoperationen sagen, welche bei einer jeden Induction entweder nothwendig vorausgesetzt werden, oder welche den schwierigeren und verwickelteren inductiven Processen behülflich sind. Der Betrachtung dieser Hülfsoperationen, und besonders derjenigen, welche als unentbehrliche Präliminarien einer jeden Induction unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, soll dieser Theil unseres Werkes gewidmet sein.' John Stuart Mill (1806 - 1873) war ein englischer Philosoph und Ökonom und einer der einflussreichsten liberalen Denker des 19. Jahrhunderts. Er war Anhänger des Utilitarismus, der von Jeremy Bentham, dem Lehrer und Freund seines Vaters James Mill, entwickelt wurde.

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Leseprobe

Erstes Capitel.
Von der Nothwendigkeit, mit einer Analyse der Sprache zu beginnen.



§. 1. Es ist bei den über Logik Schreibenden so sehr der allgemeine Gebrauch, ihre Abhandlungen mit einigen allgemeinen (obschon meistens etwas mageren) Bemerkungen über die verschiedenen Arten von Wörtern zu beginnen, dass es bei der blossen Befolgung nies allgemeinen Gebrauchs für mich kaum nöthig sein dürfte, für dieses Verfahren so weitläufige Gründe anzugeben, als man gewöhnlich von denjenigen erwartet, welche in anderer Weise verfahren.

Der Gebrauch empfiehlt sich in der That durch so einleuchtende Gründe, dass er keiner förmlichen Rechtfertigung bedarf. Die Logik ist ein Theil der Kunst des Denkens. Die Sprache ist offenbar und nach dem Eingeständniss aller Philosophen das Hauptwerkzeug oder Hülfsmittel des Denkens, und irgend eine Unvollkommenheit in dem Instrument und der Art seines Gebrauches kann hier unläugbar den Gedankenprocess eher verwirren und verhindern, und einen jeden Grund von Vertrauen in dessen Resultat eher zerstören, als in fast einer jeden andern Kunst. Denn wenn ein mit der Bedeutung und Bern richtigen Gebrauch der verschiedenen Arten von Wörtern noch nicht vertrauter Geist die Methoden des Philosophirens zu studiren versucht, so heisst das gerade so viel, als wenn irgend jemand, der nie gelernt hat, optische Instrumente richtig einzustellen, versuchen wollte, astronomische Beobachtungen zu machen.

Da Schliessen oder Folgern, der Hauptgegenstand der Logik, eine Operation ist, welche gewöhnlich vermittelst der Wörter stattfindet, und in verwickelten Fällen in keiner andern Weise stattfinden kann, so wird die Gefahr, unrichtig zu schliessen oder zu folgern, bei denjenigen, welche nicht eine gründliche Kenntniss von der Bedeutung und dem Zweck der Wörter haben, sich fest zur Gewissheit erheben. Auch haben die Logiker allgemein gefühlt, dass wenn sie nicht von vorn herein diese reiche Quelle des Irrthums entfernten, dass wenn sie ihre Schüler nicht lehrten, die die Gegenstände verzerrenden Gläser hinwegzulegen und Gläser zu gebrauchen, welche dem Zwecke so angepaßt sind, dass sie das Sehen unterstützen und nicht verwirren: sie niemals im Stande sein würden, den übrigen Theil ihrer Lehre mit einer Aussicht auf Erfolg anzuwenden. Eine Untersuchung der Sprache, so weit sie nöthig ist, um gegen die Irrthümer zu schützen, zu denen dieselbe Veranlassung giebt, ist deshalb zu allen Zeiten als eine nothwendige Einleitung in das Studium der Logik betrachtet worden.

Es giebt aber noch einen andern, fundamentaler Grund, warum die Bedeutung der Wörter der erste Gegenstand, der Betrachtung des Logikers sein sollte: ohne dieselbe nämlich kann er die Bedeutung der Urtheile nicht untersuchen. Dieser Gegenstand steht aber an der Schwelle der Wissenschaft der Logik.

Nach der Definition des einleitenden Capitels ist der Gegenstand der Logik, zu bestimmen, auf welche Weise wir zu demjenigen Theil unserer Erkenntniss (bei weitem der grösste Theil) gelangen, welcher nicht intuitiv ist; und durch welches Kennzeichen man bei nicht von selbst einleuchtenden Gegenständen unterscheiden kann zwischen bewiesenen und nicht bewiesenen Dingen, zwischen dem, was glaubwürdig, und dem, was nicht glaubwürdig ist. Manche der verschiedenen Fragen, welche sich unserm Forschungsvermögen darbieten, empfangen eine Antwort von dem directen Bewusstsein, andere, wenn sie überhaupt zu beantworten sind, können nur vermittelst des Beweises gelöst werden. Die letzeren sind Gegenstand der Logik. Aber ehe wir die Art und Weise untersuchen, wie Fragen gelöst werden, ist es nöthig, zu untersuchen, welche Fragen sich darbieten? welche Fragen sind denkbar? welche Fragen giebt es, auf welche die Menschen entweder eine Antwort erhalten haben, oder von denen sie denken konnten, dass es möglich wäre, eine Antwort darauf zu erhalten? Dieser Punkt wird am besten durch eine Untersuchung und Analyse der Urtheile aufgeklärt.

§. 2. Die Antwort auf eine jede Frage, die möglicherweise gestellt werden kann, ist in einem Urtheil (Proposition) oder einer Behauptung (Assertion) enthalten. Alles, was ein Gegenstand des Glaubens oder Unglaubens sein kann, muss, wenn es in Worte gefasst wird, die Form eines Urtheils annehmen. Alle Wahrheit und aller Irrthum liegen in Urtheilen. Was wir einer bequemen Missanwendung des abstracten Wortes nach eine Wahrheit nennen, heisst einfach ein wahres Urtheil; die Irrthümer sind falsche Urtheile. Den Inhalt und die Bedeutung aller möglichen Urtheile wissen, hiesse alle Fragen wissen, welche gestellt werden können, alle Gegenstände wissen, welche fähig sind, geglaubt oder nicht geglaubt zu werden.

Wie viele Arten von Fragen gestellt, wie viele Arten von Urtheilen gefällt werden können, wie viele Arten von, eine Bedeutung einschliessenden, Urtheilen es möglich ist aufzustellen, alles dieses sind nur verschiedene Formen einer und derselben Frage. Da also alle Gegenstände des Glaubens und Forschens durch Urtheile ausgedrückt werden, so wird uns eine genügende Untersuchung der Urtheile und ihrer Arten lehren, welche Fragen sich die Menschen wirklich gestellt haben, und was sie in der Natur der Antworten auf diese Fragen für glaubwürdig hielten.

Der erste Blick auf ein Urtheil zeigt nun, dass es dadurch gebildet wird, dass man zwei Wörter aneinander fügt. Nach der gewöhnlichen einfachen und für ungern Zweck hinreichenden Definition ist ein Urtheil eine Aussage, in welcher etwas von etwas bejaht (affirmirt) oder verneint (negirt) wird. So wird in dem Urtheil, Gold ist gelb, die Eigenschaft gelb von der Substanz Gold bejaht. In dem Urtheil, Franklin war nicht in England geboren wird die durch die Worte in England geboren ausgedrückte Thatsache von dem Menschen Franklin verneint.

Ein jedes Urtheil besteht aus drei Theilen, dem Subject, dem Prädicat und der Copula. Das Prädicat ist der Name, welcher angiebt, was behauptet oder verneint wird. Das Subject ist der Name, welcher die Person oder das Ding bezeichnet, wovon etwas behauptet oder verneint wird. Die Copula ist das Zeichen, welches anzeigt, dass eine Behauptung oder eine Verneinung stattfindet, und dadurch den Hörer oder Leser in den Stand setzt, ein Urtheil von irgend einer andern Redeform zu unterscheiden. So ist in dem Urtheil, die Erde ist rund, das Wort rund das Prädicat, welches die behauptete Eigenschaft bezeichnet, oder, wie der Ausdruck ist, aussagt (prädicirt); die Erde, zwei Wörter, die den Gegenstand bezeichnen, von welchem diese Eigenschaft behauptet wird, bilden das Subject; das Wort ist, welches als Verbindungszeichen von dem Subject und Prädicat dient, um zu zeigen, dass das eine von dem andern behauptet wird, heisst die Copula.

Indem wir einstweilen die Copula, von welcher später mehr gesagt werden wird, bei Seite lassen, besteht also ein jedes Urtheil aus wenigstens zwei Namen, bringt zwei Namen in einer besondern Weise zusammen. Es geht hieraus hervor, dass für den Act des Glaubens ein Gegenstand nicht hinreichend ist; der einfachste Glaubensact setzt voraus und hat etwas zu thun mit zwei Gegenständen, zum wenigsten mit zwei Namen und (da die Namen Namen von Etwas sein müssen) mit zwei benennbaren Dingen. Viele Denker würden dies kurz fassen und sagen, zwei Ideen. Sie würden sagen, dass beide, Subject und Prädicat, Namen von Ideen sind, z.B. die Idee von Gold und die Idee von gelb, und dass das, was in dem Glaubensact stattfindet (oder ein Theil von dem, was stattfindet), darin besteht, dass (wie es oft ausgedrückt wird) die eine dieser Ideen der andern untergeordnet wird. Wir sind indessen noch nicht im Stande, dies zu sagen, und ob es überhaupt die richtige Art ist, das Phänomen zu beschreiben, bleibt einer spätern Betrachtung vorbehalten. Das Resultat, womit wir uns für jetzt begnügen müssen, ist, dass in einem jeden Glaubensact zwei Gegenstände auf irgend eine Weise in Betracht gezogen werden; dass kein Glaube verlangt oder keine Frage gestellt werden kann, welche nicht zwei unterschiedene Gedankenobjecte (materielle oder intellectuelle) umfassen, wovon jedes allein der Vorstellung zugänglich ist oder nicht, aber nicht für sich allein geglaubt werden kann.

Ich kann z.B. sagen »die Sonne«. Das Wort hat eine Bedeutung und erweckt diese Bedeutung in dem Geiste eines jeden, der mir zuhört. Wenn ich aber frage, ob es wahr ist? so kann man mir keine Antwort geben. Es ist noch nichts vorhanden, was geglaubt oder nicht geglaubt werden kann. Wenn ich nun von allen möglichen Behauptungen in Beziehung auf die Sonne diejenige aufstelle, welche am wenigsten irgend einen andern Gegenstand berücksichtigt, z.B. die, »die Sonne existirt« so hat man hier sogleich etwas, wovon jemand sagen kann, dass er es glaube. Wir haben aber hier, statt nur eines, zwei verschiedene Gegenstände der Vorstellung, wovon der eine die Sonne, der andere die Existenz ist. Es kann nicht gesagt werden, dass diese zweite Vorstellung, Existenz, in der ersten eingeschlossen liege, denn man kann sich die Sonne als nicht mehr existirend vorstellen. »Die Sonne« theilt nicht dieselbe Bedeutung mit, wie »die Sonne existirt«; »mein Vater« schliesst nicht dieselbe Meinung ein, wie »mein Vater existirt«, denn er kann gestorben sein; »ein rundes Viereck« schliesst nicht die Bedeutung ein, »ein rundes Viereck existirt«, denn es existirt nicht und kann nicht existiren. Wenn ich sage, »die Sonne«, »mein Vater«, oder »ein rundes Viereck«, so fordere ich von dem Hörer weder Glauben noch Unglauben, auch kann mir der eine oder der andere nicht geschenkt werden; wenn ich aber sage, »die Sonne existirt«,...

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